Streiten: Weder hilfreich noch produktiv

Wie man mit Leichtigkeit aussteigen kann!

Streit belastet jede Beziehung im privaten und im öffentlichen Bereich. Die Vermeidung eines Streits ist einfach und lässt sich leicht umsetzen, dazu später mehr. Zuvor schauen wir, warum bzw. wie es dazu kommt und nehmen die Streitkultur – wobei ich dieses Wort als nicht sinnstiftend empfinde – genauer unter die Lupe. 

Die Streitkultur

Zwei Menschen haben unterschiedliche Ansichten zu einem bestimmten Thema. Sie unterhalten sich über ihre Meinungen. Nach diesem Austausch könnte jeder seines Weges gehen, dankbar um die Erkenntnisse aus einem anderen Blickwinkel, doch das passiert eher selten.

Recht behalten wollen

Möchte einer der beiden unbedingt Recht behalten, wird er vehementer auf den anderen einreden. Er wird seine Meinung mehrfach wiederholen, als wäre der andere nicht schlau genug zu begreifen, was gesagt worden ist – vielleicht auch in der irrigen Annahme, wenn man es nur oft genug sagt, wird sich die Richtigkeit für den anderen erschließen. Das resultiert aus einem Mechanismus des Egos und ist im Blogbeitrag 11/2018: Das Ego Teil 3: Recht haben müssen – immer und ständig genauer beschrieben.

Je intensiver der Erste seine Meinung vertritt, umso stärker wird die zweite Person dagegenhalten. Auch sie will Recht behalten – oder zumindest nicht als Verlierer dastehen.

Die Subjektivität

Von beiden Seiten werden häufig Begründungen herangezogen, die auf einer eigenen Meinung, auf Erfahrungen oder Überzeugungen basieren. Gerne wird mit Studien, Berichten und Fallbeispielen argumentiert, die den Zweck haben, den anderen von der eigenen Sichtweise zu überzeugen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die offiziellen Daten überwiegend einen Interpretationsspielraum lassen. Meistens lohnt es sich, die entsprechenden Hintergründe anzuschauen.

  • Wer hat die Daten erhoben?
  • Aus welcher Interessenslage sind die Daten erhoben worden?
  • Wer hat die Erhebung bezahlt?
  • Was soll damit belegt werden?


Durchfallquote beim Führerschein

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: die gestiegenen Durchfallquoten bei Führerscheinprüfungen. In diesem Artikel aus der „Zeit Online“ vom 13.02.2019: https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-02/autofahren-fuehrerschein-jugendliche-pruefung-durchfallquote heißt es im vorletzten Satz des Artikels: „Bei den älteren Fahranfängern …“.

Da ist der Interpretationsspielraum. Jetzt könnte man die gerade Volljährigen in diese Gruppe stecken, alles verallgemeinern und darüber streiten: Ablenkung durch Smartphone, geringe Aufmerksamkeitsspanne, Lernfaulheit, Sprachdefizite usw.

Alternativ könnte man auf den Gedanken kommen, dass alle Fahranfänger über 18 Jahren, also auch die älteren Jahrgänge, in diese Gruppe gehören, denen ggf. das Lernen nicht mehr so leicht fällt oder die nicht so fit am Bildschirm sind. Vielleicht ist auch die Durchfallquote von den Fahrern enthalten, die eine MPU (Medizinisch Psychologische Untersuchung) zu bewältigen haben, also gar keine echten Fahranfänger sind.

Und schon gibt es ein Streitgespräch auf der Basis von Halbwissen.

Der richtige Blickwinkel

Hört man Experten zu, gibt es immer Pro und Kontra und weitere Betrachtungsweisen für jedes Problem. Ob es um den Führerschein, die Feinstaubbelastung oder den Nachbarschaftsstreit geht – jeder hat sich eine Meinung gebildet und ist gewillt, diese vehement zu vertreten.

Die Münze

Einer beharrt darauf, dass eine Zahl darauf steht und der andere hält mit ein Bild dagegen. Beide sprechen über ein 2-Euro-Stück und jeder versucht den anderen davon zu überzeugen, dass seine Meinung die richtige ist, während er selbst die Rückseite noch nicht betrachtet hat.

Es gibt eine gemeinsame Basis und unterschiedliche Sichtweisen. Beim Nachbarschaftsstreit ist es der Baum in der Nähe des Zaunes. Der Besitzer freut sich über den Schatten im Sommer, der Nachbar ärgert sich über das Laub in seinem Garten, wenn es auf den Winter zugeht.

Sachlichkeit hilft

Ein Streit lebt von der Energie, die man hineingibt: hitzige Diskussion, massive Wiederholungen, verbale Attacken. Fängt einer an und der andere steigt darauf ein, wird es immer massiver. Lässt man die Emotionen aus dem Streitgespräch heraus und spricht auf der sachlichen Ebene, wird schon vieles leichter.

Es gibt nun mal zwei (oder mehr) Betrachtungsweisen. Ein Austausch ohne emotionalen Aspekt ist eine deutlich bessere Variante.

Die Lösung

Die gute Nachricht ist: Es gibt keinen Streit, wenn eine der beiden Parteien das nicht möchte, z. B. mit dem Akzeptieren der Meinung oder Perspektive des anderen: „Ich verstehe Dich.” oder „Ach so, darin liegt dein Problem.” Sobald Verständnis aufkommt, wird eine mögliche Lösung sichtbar. „Wir können das Laub gemeinsam wegräumen.”

Wenn das Ego zuschlägt

Wie bei der Münze, gibt es bei einem Streit eine gemeinsame Basis, aus der unterschiedliche Ansichten resultieren können.

Schauen Sie genau hin. Sie werden erkennen, dass einige Streitigkeiten von

  • mangelndem Selbstwert,
  • einem großen Ego,
  • vom Drang des Beweisens und Recht-haben-müssen,
  • von mangelnder Akzeptanz einer anderen Meinung,
  • von der Überzeugung, etwas besser zu wissen (mehr Kenntnisse darüber zu haben) oder
  • von etwas nicht tun zu müssen,

getrieben sind.

Hier sind einige Beispiele:

Streitthema gemeinsame Basis bzw. Ziel: vorgeschobener Grund echter Grund
Partnerschaft: zum Geburtstag der Eltern fahren Verwandtschaft Da ist es echt langweilig.
Elternteil: 14-jährige ist zu spät nach Hause gekommen Vertrauen in das Kind/in die eigene Erziehung Dafür bekommst du Hausarrest. Ich muss mich auch an die Regeln halten.
Arbeit: Fehler im Angebot Auftrag bekommen Du hast einen Fehler gemacht.
Straße: zu langsam gefahren Öffentlichkeit Verkehr Du fährst so langsam.
     

Recht gut erkennbar ist, dass die vorgeschobenen Gründe außerhalb liegen (beim Streitpartner) und die wahre Begründung im eigenen Verhalten liegt. Das wird jedoch nur ungern zugegeben und daher wird weiter gestritten.

Sobald Sie bemerken, dass der andere noch nicht bereit zu sein scheint, seine wahren Gründe für den Streit zu erkennen, fällt Ihnen der Ausstieg ggf. leichter.

Zusammenfassung

  • Vermeiden Sie es, auf einen Streit einzusteigen.
  • Hören Sie sich die andere Perspektive an und versuchen Sie diese Meinung zu akzeptieren. (Sie brauchen diese nicht zu übernehmen).
  • Überlegen Sie, was der Grund (die Interessenslage) des Streitpartners sein könnte. Mit einer solchen Erklärung für den Streit fällt das Aussteigen oft leichter.
  • Wenn Sie auf den Streit einsteigen, hinterfragen Sie, warum Ihnen das so wichtig ist.

Meine Erfahrung ist, dass die Tage weitaus entspannter verlaufen, wenn ich die andere Meinung respektierend stehen lasse und aus dem Streit aussteige – und ja, ich habe das üben müssen. Aber es ist mir leichter gefallen als einige anderen Dinge.

Falls Sie mir von Ihren Erlebnissen berichten möchten, freue ich mich sehr über einen Kommentar zu diesem Artikel.

Blog

Kommentar
Die mit einem *Sternchen gekennzeichneten Felder sind Pflichtfächer, bitte ausfüllen. Korrekt übermittelte Kommentare werden geprüft und dann freigeschaltet. Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass mein Kommentar elektronisch erhoben, verarbeitet und gespeichert werden.

Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an mail@echterleben.de widerrufen.

Blogbeitrag: Februar 2019 / Bildnachweise: https://pixabay.com/

flash-2568383, news-1172463, coins-2440162, brain-20424, sun-3588618