Der Sinn des Lebens

Der Umgang mit dem Schmerz

Besonders wenn uns schlechte Nachrichten ereilen, stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Warum wurde der Mensch mitten aus dem Leben gerissen? Warum stirbt ein Kind an Leukämie? Egal, welches Drama sich gerade abspielt, schnell wird ein Arm gehoben, „hier” gerufen und losgejammert. Ich sage nicht, dass das schlecht ist, ich sage nur, dass schnell gejammert wird.

Warum tun wir das? Aus Hilflosigkeit? Aus Wut? Aus Angst oder Enttäuschung? Vielleicht ist es mal das eine, mal das andere.

Jammern hilft?

Aber hilft jammern? Nicht wirklich. Es ist nur ein Ablenkungsmanöver. Wir lenken uns von unserer Wut, Angst oder Hilflosigkeit ab. Das macht den Schmerz für einen Moment erträglicher. Dann kommt der Schmerz zurück. In voller Stärke. Wir wissen nicht, wohin mit uns. Jammern hilft, der Schmerz wird überdeckt. Uns wird Bedauern, Mitgefühl und Aufmerksamkeit zuteil. Jammern ist eine aktive Einladung an das Umfeld, sich mit uns zu beschäftigen.

Das in vielen Menschen eingebaute Helfer-Gen macht daraus eine Win-Win-Situation: „Wenn ich jammere und du hörst mir zu, bin ich dir dankbar. Du bekommst Dankbarkeit, wenn du mir zuhörst.” Manchmal kommt das Sahnehäubchen: „Das Gespräch mit dir hat mir sehr geholfen!” Welcher Mensch freut sich nicht, wenn er mit seiner Anwesenheit helfen konnte.

Ablenkung verlängert den Schmerz

So ist die Fassade, der äußere Schein. Der Blick hinter die Kulissen offenbart das wahre Drama. Jede Ablenkung verlängert den Schmerz. Manche Schmerzen überschatten auf diese Art ein ganzes Leben. Wenn ich mir das vor Augen führe, möchte ich das nicht.

Welche Alternativen gibt es? Nicht jammern! Nicht ablenken! Den Schmerz ertragen!

Das ist hart. Je nach Situation vielleicht auch zu hart.

Meine Härtefall-Regelung

Ich erschaffe mir eine Härtefall-Regelung. Für die schlimmsten Situationen gibt es eine Kulanzzeit. Ein definierter Zeitraum, in dem ich mich ablenke – mit der Unterstützung von anderen Menschen.

Manchmal ist es besser, sich dem großen Schmerz in Etappen zu nähern. Wenn man Gewichtheber ist, wird man auch nicht am ersten Trainingstag 100 Kilo auf die Langhantel packen und dies mal eben so stemmen können. Man gewöhnt den Körper durch regelmäßiges Training an die Anforderung. Die Gewichte werden nach und nach erhöht, bis das definierte Ziel erreicht ist.

Fortschritte

Genauso ist das beim Schmerz und meiner Härtefall-Regelung. Ich lege einen Zeitrahmen fest, in dem ich jammern darf. In dieser Zeit nähere ich mich dem Schmerz nur, wenn ich alleine bin. Würde es mir dabei nicht so elend gehen, würde ich mich an meinem Fortschritt erfreuen können.

Die Meisterschaft

Ist der Zeitraum abgelaufen, beginnt der Wettbewerb. Kann ich das Gewicht stemmen bzw. den Schmerz aushalten? Es gelingt mir – für einen Moment. Ich wäre glücklich darüber, aber dieser Gedanke kommt mir nicht in den Sinn. Direkt danach suche ich nach Ablenkung: Buch, Fernseher, Handy – egal. Jammern habe ich mir untersagt, ich werde keine andere Person damit behelligen. Alleine ablenken. Es funktioniert für eine Weile. Dann driftet der Kopf wieder in den Schmerz.

Weinen, in ein Kissen schlagen, spazieren gehen und alles rausschreien – ich beruhige mich. Eher aus Kraftlosigkeit suche ich die nächste Ablenkung. Der Kreislauf beginnt von vorn.

Die Phasen, in denen ich den Schmerz aushalten kann, werden länger. Beim Sport wäre ich stolz darüber, beim Schmerz bin ich es nicht. Warum nicht? Weil Hilflosigkeit, Wut und Angst keinen Raum dafür lassen? Weil das nicht zusammen passt? Ziemlich bescheuert. Es würde mir helfen, meinen Fortschritt zu erkennen und zu bemerken, dass ich immer mehr vom Schmerz verarbeite. Ich fühle mich dabei immer noch elend, aber es ist nicht mehr so schlimm.

Potential: Mentale Stärke

Einige Situationen werden mich länger begleiten als andere. Immer werde ich mich und meine mentale Stärke weiter entwickeln, indem ich mich den ganzen unangenehmen Gefühlen stelle.

Was mir das bringt? Sicherheit, denn ich weiß, was ich kann. Auch der Gewichtheber weiß, dass er am Ende die 100 kg stemmt. Mir ist ebenfalls klar, dass ich mit vielen Dingen zurechtkomme, die ich nicht für möglich gehalten habe. In den schmerzfreien Phasen erkenne ich das und freue mich darüber. Damit gibt der Schmerz auch meinem Leben einen Sinn. Er eröffnet mir die Freiheit, nicht von anderen Menschen abhängig zu sein und über mein eigenes Leben bestimmen zu können.

Das ist ein ausgesprochen gutes Gefühl.

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Blogbeitrag: März 2019 / Bildnachweise: https://pixabay.com/

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